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Nr. 7 Ministerrat, Wien, 8. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Pillersdorf, Taaffe, Sommaruga, Zanini; BdE. Ficquelmont (10. 4.), Franz Karl (10. 4.).

MRZ. 103 – KZ. –

Protokoll der Ministerratsversammlung vom 8. April 1848.

I. Weiterbeförderung der von Kufstein in Wien angekommenen begnadigten Polen

Der interimistische Leiter des Ministerrates bemerkte, zufällig vernommen zu haben, daß etwa 16 polnische politische Gefangene von der Festung Kufstein1 mit einem Dampfschiffe von Linz hier angekommen sind, und daß es rätlich, ja notwendig scheine, dafür zu sorgen, daß sie sogleich weiter nach Galizien befördert werden, obwohl nicht vorausgesetzt werden könne, daß sie zur Beruhigung ihres Geburtslandes beitragen werden.

Der Minister des Inneren übernahm es, für die unverzügliche Weiterbeförderung dieser Individuen Sorge zu tragen2.

II. Dankadresse der mährischen Stände

Hierauf brachte der Minister des Inneren einige an Ew. Majestät gerichtete Adressen und die auf dieselben zu erlassenden Erledigungen zur Sprache u. zwar: a) Die Dankadresse der vier Stände der Provinz Mähren für die von Ew. Majestät gewährten Konzessionen, worin sie nebst ihrem innigsten Danke ihre Treue, Anhänglichkeit und Ergebenheit für Ew. Majestät aussprechen3.

|| S. 40 PDF || Diese Adresse wäre nach der Ansicht des Ministerrates durch das hierneben vorliegende Reskript an die mährischen Stände zu beantworten, und das Original dieses Reskriptes mit der Ah. Unterschrift Ew. Majestät zu versehen4.

III. Galizische Adresse

b) Die Adresse mehrerer Deputierten aus verschiedenen Klassen und Ständen Galiziens, welche Ew. Majestät vor zwei Tagen überreicht worden ist5 und worin nebst Versicherung der Treue und Ergebenheit mehrere, mitunter überspannte Bitten und ungemessene Ansprüche gestellt werden.

Diese in einer ganz anderen Art gehaltene und eine ganz andere Tendenz verratende Adresse wäre auch anders als jene der mährischen Stände zu beantworten6, u. zw. durch ein von dem Minister des Inneren entworfenes, von dem Ministerrate vollkommen gebilligtes Ministerialschreiben an den Gouverneur von Galizien, welcher den Abgeordneten zu eröffnen hätte, daß Ew. Majestät ihre Bitten und Wünsche, insofern sie mit dem allgemeinen Wohle des Staates vereinbarlich sind, in reifliche Erwägung ziehen lassen werden, und daß der Gouverneur selbst über diese Adresse sein Gutachten zu erstatten habe.

Dieses von dem Ministerrate genehmigte Ministerialschreiben hat der Minister des Inneren der sogleichen Expedierung wegen mitgenommen, was hiermit zur Ah. Kenntnis Ew. Majestät gebracht wird7.

IV. Russische Truppenkonzentration an der russisch-polnischen Grenze

Der Minister des Inneren setzte den Ministerrat von einem von dem mährischen Landrechtspräsidenten Grafen Wolkenstein erhaltenen Schreiben in Kenntnis, worin dieser die dort herrschende Besorgnis der Gefahren schildert, welche dem Lande von außen drohen sollen, und worin er zugleich den lebhaftesten Wunsch der dortigen Stände ausspricht, bald eine beruhigende Erklärung in dieser Beziehung zu erhalten.

Mit dem aus diesem Anlasse an den Grafen Wolkenstein zu erlassenden Antwortschreiben des Ministers des Inneren erklärte sich der Ministerrat vollkommen einverstanden, nur wäre in dieses Schreiben an passender Stelle noch die beruhigende Erklärung mehr aufzunehmen, daß, wenn die geschilderte Beunruhigung durch die Zusammenziehung der russischen Militärmacht an der russisch-polnischen Grenze veranlaßt worden sein sollte, zur Beruhigung des Landes dienen möge, daß diese Zusammenziehung lediglich eine defensive Maßregel sei, keineswegs aber damit ein Angriff auf unser Gebiet beabsichtigt werde. Dieser Beisatz ist dem Schreiben sogleich eingeschaltet worden8.

V. Umwandlung der Naturalleistungen in Geldentschädigungen in Niederösterreich und der Steiermark

Weiter brachte der Minister des Inneren die Bitten a) der niederösterreichischen9 und b) der steiermärkischen Stände10 um Erlaß eines Ah. Patentes über die Umwandlung der untertänigen Naturalleistungen in Geldgiebigkeiten zur Sprache.

Nachdem Ew. Majestät die Aufhebung der Naturalrobot in den Provinzen Böhmen, Mähren und Schlesien gegen auszumittelnde billige Entschädigung mit dem 31. März 1849 auszusprechen geruhet haben11, so hat der Minister des Inneren infolge der ihm erteilten Ah. Ermächtigung die Stände der anderen Provinzen aufgefordert, sich zu äußern, ob auch dortlandes diese Maßregel zur Ausführung zu gelangen hätte. Gegenwärtig liegen diesfalls Äußerungen der niederösterreichischen und der steiermärkischen Stände vor.

Zu a) Die niederösterreichischen Stände erklären die Aufhebung der untertänigen Naturalleistungen gegen Entschädigung für notwendig, und zwar sobald als möglich, um der herrschenden Aufregung ein Ende zu machen. In Ansehung des Termins des Aufhörens bitten sie den 1. Jänner 1849 dazu festzusetzen.

Was diesen Termin und den für Böhmen, Mähren und Schlesien angenommenen (31. März 1849) anbelangt, so waltet zwischen beiden mit Rücksicht auf den Anstand, daß die Monate Jänner, Februar und März Wintermonate sind, kein wesentlicher Unterschied ob, auch darf hierbei nicht übersehen werden, daß den kürzeren Termin für Niederösterreich die Berechtigten selbst wünschen. Würden die böhmischen, mährischen und schlesischen Stände einen gleichen Wunsch äußern, so könnte der Willfahrung desselben nicht wohl etwas entgegengesetzt werden.

Der Minister des Inneren bringt demnach den vorliegenden Patentsentwurf zur Ah. Genehmigung.

Zur Aufklärung dessen, daß in dem 1. Absatze des Patentes eine genaue Aufzählung der abzulösenden Leistungen enthalten ist, von welcher die Stände nichts erwähnten, bemerkte der Minister des Inneren, daß er dem niederösterreichischen Landmarschall Grafen Montecuccoli das diesfällige gleiche Ansuchen der steiermärkischen Stände mitgeteilt habe, welche eine genaue Aufzählung der abzulösenden Naturalschuldigkeiten im Patente wünschten. Montecuccoli hat darüber im kurzen Wege die Meinung der niederösterreichischen Stände eingeholt, und diese fanden eine so detaillierte Aufzählung zweckmäßig und notwendig, weshalb sie auch in das Patent aufgenommen wurde.

Zu b) Die Bitte der steiermärkischen Stände ist mit jener der niederösterreichischen so ziemlich identisch. In Ansehung des Termins waren die steiermärkischen Stände verschiedener Meinung. Einige wollten das Aufhören der Naturalleistungen gleich mit Kundmachung des Ah. Patentes, die Mehrzahl dagegen (wie in Niederösterreich) mit || S. 42 PDF || dem 1. Jänner 1849. Der Minister des Inneren erklärt sich mit diesem letzteren Termine einverstanden.

Der Unterschied zwischen dem hier vorliegenden Patentsentwurfe für Steiermark und dem obigen für Böhmen liegt darin, daß in dem für Steiermark (§ 4) auch schon das Verfahren zur Ausmittlung der Entschädigung näher angegeben erscheint.

Der Ministerrat erklärte sich mit diesen beiden Patentsentwürfen vollkommen einverstanden, und dieselben werden sonach der Ah. Genehmigung Ew. Majestät unterzogen12.

VI. Ernennung Leo Graf Thuns zum böhmischen Gubernialpräsidenten

Der Minister des Inneren zeigte dem Ministerrate an, daß der zum böhmischen Gubernialpräsidenten Ah. ernannte Graf Nostiz13 gegen ihn erklärt habe, daß er sich für diesen Posten wegen Mangels der Sprachkenntnis für untauglich halten müsse. Gefragt, wen er nach seiner Kenntnis für diesen Posten als geeignet nennen könne, bezeichnete er vorzüglich den Grafen Leo Thun, welcher nebst der Kenntnis der böhmischen Sprache die erforderliche Ruhe und Festigkeit des Charakters, dann einen guten Klang sowohl bei den Ständen als allen Klassen des Volkes für sich habe. Für den Leo Grafen Thun ließ auch der abwesende provisorische Ministerpräsident Graf v. Kolowrat seine Meinung dem Ministerrate eröffnen.

Der Ministerrat erachtet hiernach, daß Ew. Majestät den auch schon in dem Vorschlage des gewesenen Oberstburggrafen Grafen Rudolph v. Stadion genannten Grafen Leo Thun zum Präsidenten des böhmischen Guberniums zu ernennen14 und ihm in dieser Eigenschaft die geheime Ratswürde taxfrei zu verleihen geruhen dürften. Die ständischen Angelegenheiten hätte auch ferner wie bisher in Ermanglung eines Oberstburggrafen der oberste Landesoffizier zu leiten15.

VII. Feindliche Absichten des Kirchenstaates, Sardiniens und der Toskana

Derselbe Minister brachte zur Kenntnis der Versammlung: a) eine Anzeige16 des Gouverneurs in Triest, Grafen v. Salm, nach welcher der Kirchenstaat, Sardinien und Toskana zu Wasser und zu Land feindlich gegen Österreich aufzutreten beabsichtigen sollen, und daß Frankreich Sardinien unterstütze.

Zur Berichtigung dieser Angabe erinnerte der interimistische Leiter des Ministerrates Graf v. Ficquelmont , er habe Gewißheit darüber, daß Sardinien nur zu Lande, keineswegs aber zur See Feindseligkeiten unternehmen werde, und so dürften es wohl die anderen auch tun, und werde er auch dem Grafen Salm eine diesfalls beruhigende Antwort erteilen17.

VIII. Stimmung in Krakau

|| S. 43 PDF || b) Anzeige von Krakau über die trübe Volksstimmung daselbst und über die Notwendigkeit der Vermehrung der dortigen Garnison.

Der Minister des Kriegswesens bemerkte, daß eine Vermehrung der 5000 Mann überstei­genden Garnison in Krakau nicht notwendig und unsere dort bestehenden Verteidigungsmittel zureichend seien.

Der Minister des Inneren wird das Ansinnen in dieser Art beantworten18.

IX. Meuterei auf der „Guerriera

c) Anzeige, daß das Schiff „Guerriera“ durch eine an Bord desselben ausgebrochene Meuterei verloren gegangen sei19.

X. Austritt des Fürsten Karl Lobkowitz aus dem Staatsdienst

d) Ferner übergab der Minister des Inneren das hier vorliegende Schreiben des Fürsten Karl Lobkowitz vom 7. d. M., worin er seinen Austritt aus dem Staatsdienste meldet20. Diese Anzeige dürfte lediglich zur Ah. Wissenschaft dienen21.

Endlich bringt er mittelst der angeschlossenen Konsignation, worin auch ein kurzer Auszug des Gegenstandes nebst dem Antrage enthalten ist, vier Geschäftsstücke zur Kenntnis des Ministerrates, deren Erledigung dem Minister des Inneren selbst zusteht.

XI. Suspendierung der Absendung des Erzherzog Franz Josephs nach Prag

Der Ministerpräsident Graf v. Kolowrat ließ dem Ministerrate seine Meinung eröffnen, daß mit der Sendung Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Franz Joseph zu seiner Bestimmung nach Böhmen22 unter den gegenwärtigen Umständen nicht zu eilen, sondern vorläufig noch abzuwarten wäre, welche Wirkung die Erledigung der zweiten Petition der Prager Abgeordneten23 hervorgebracht, und bis der neue böhmische Gubernialpräsident seinen Posten angetreten haben wird24. Dieser Meinung wurde vom Ministerrate beigestimmt und nur noch die Bemerkung beigefügt, daß die Sendung Sr. kaiserlichen Hoheit nach Böhmen ihren Zweck ganz verfehlen würde, wenn der Ajo Graf Bombelles25 Höchstdieselben dahin begleiten würde, was jedoch, nach der Bemerkung des Grafen v. Ficquelmont, nicht in der höchsten Absicht liege26.

XII. Berichte Radetzkys über die Lage in Italien

Der Minister des Kriegswesens brachte hierauf drei au. Vorträge zur Erörterung.

Der erste, KZ. 1331/184827, bespricht die Berichte des Feldmarschalls Grafen Radetzky über die Ereignisse im lombardisch-venezianischen Königreiche vom 18. März bis 2. April d. J. 28 und enthält die Anträge: a) daß Ew. Majestät die Ah. Anerkennung der besonderen Tapferkeit, Treue und Hingebung Allerhöchstihrer Armee und der Führer derselben durch ein an den Feldmarschall zu erlassendes, den Führer wie die Truppen ehrendes Ag. Handschreiben auszusprechen geruhen mögen29; b) ob die Ah. Huld Sich nicht etwa bewogen fände, dem greisen, aber noch immer geistes- und körperstarken und tatkräftigen Feldmarschall ein besonderes Gnadenzeichen zu verleihen30; c) die Anzeige, daß der Feldmarschall seinen Truppen unter den bestehenden Verhältnissen die Kriegsgebühren angewiesen habe, was vollkommen billig und gegründet sei31.

Der Ministerrat findet ad a) gegen die Ausfertigung eines anerkennenden Ah. Kabinettschreibens an Grafen Radetzky nichts zu erinnern; ad b) die Verleihung eines Ah. Gnadenzeichens an denselben glaubt der Ministerrat einer späteren Zeit vorbehalten zu sollen, weil die Verleihung desselben jetzt vielleicht der wünschenswerten Pazifikation des lombardisch-venezianischen Königreichs32 abträglich sein könnte und weil, ungeachtet der tapferen und rühmlichen Anstrengung des Führers und der Armee, der Erfolg nicht günstig war. Zu c) Gegen die vom Grafen Radetzky seinen Truppen bewilligten Kriegsgebühren kann bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge keine Einsprache erhoben werden. Ew. Majestät dürften demnach diese Verfügung Ah. zu genehmigen geruhen.

XIII. Kriegsmäßige Entlohnung für die unter Radetzky und FZM. Graf Nugent stehenden Truppen

In dem zweiten Vortrage, KZ. 1332/184833, wird sich die Ah. Ermächtigung erbeten, sowohl die unter den Befehlen des Feldmarschall Grafen Radetzky als jene unter dem FZM. Grafen Nugent stehenden, zur Operation bestimmten Truppen mit den Geld- und Naturalgebühren auf den Kriegsfuß setzen und ihnen die für solchen Fall systemmäßige Gratisgage erfolgen lassen zu dürfen.

Die angesuchte Ermächtigung dürfte, nach dem Erachten des Ministerrates bei den gegenwärtig obwaltenden Verhältnissen ohne Anstand erteilt werden34.

XIV. Vorschuß an den Banus GM. Joseph Freiherr v. Jellačić

Der dritte Vortrag, KZ. 1333/184835, hat die Bitte des neu ernannten Banus von Kroatien, Baron Jellačić36, um einen Vorschuß von 15.000f. aus dem Universalkriegszahlamte a conto seiner Gebühren zur Anschaffung der dringendsten Bedürfnisse in seiner neuen Stellung zum Gegenstande.

Der Ministerrat erachtet, daß der Kriegsminister zu ermächtigen wäre, dem Baron Jellačić 15.000f. auf Rechnung der ihm zugewiesen werdenden Gebühren bei dem Kriegszahlamte gegen zwei- oder dreijährige Ratenzahlung anzuweisen37.

XV. Protest des Wiener Neustädter Bürgermeisters gegen die Stationierung eines Freiwilligenkorps

Ferner brachte der Minister des Kriegswesens zur Kenntnis des Ministerrates, daß der Bürgermeister von Wiener Neustadt eine Vorstellung gegen die Aufstellung des Freiwilligenkorps auf der dortigen Heide eingebracht habe. Er wünscht die Entfernung desselben, weil ihm seine Nähe für die Stadt Wiener Neustadt gefährlich zu sein scheint38.

XVI. Vorschuß zum Pferdeankauf für die Armee in Italien

Schließlich erbat sich der Kriegsminister einen vorläufigen Kredit von 100.000f., um mit der Anschaffung von Bespannungen für den Feldmarschall Grafen Radetzky vorgehen zu können. Den näheren Vortrag hierüber werde er nächstens erstatten.

Der Ministerrat glaubt, daß Ew. Majestät dem Kriegsminister einen Vorschuß von 100.000f. zu dem gedachten Zwecke zu bewilligen geruhen dürften.a

Um die Finanzverwaltung so schnell als möglich in die Lage zu setzen, sich auf diesen notwendigen Aufwand vorzubereiten, hätte der Kriegsminister sich sogleich mit derselben ins Einvernehmen zu setzen39.

Diesen Erörterungen dürften die nachfolgenden Erledigungsentwürfe entsprechen.

Ges. 10. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 10. April 1848.