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Nr. 4 Ministerrat, Wien, 5. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; P. Ransonnet; VS. Ficquelmont; anw. Taaffe, Pillersdorf, Sommaruga, Zanini; außerdem anw. (nur bei II) Klezansky; BdE. Ficquelmont (6. 4.), Franz Karl (7. 4.).

MRZ. 96 – KZ. –

Protokoll zu dem am 5. April 1848 abgehaltenen Ministerrate.

I. Ernennung Erherzog Franz Josephs zum Statthalter in Böhmen

Der Minister des Inneren eröffnete die Sitzung mit dem Antrage, daß die Ernennung des durchlauchtigsten Herrn Erzherzoges Franz Joseph zum Statthalter von Böhmen1 sogleich mittelst Telegraphen in Prag bekanntzumachen wäre, damit dieser Schritt nicht als ein von der sogenannten Volksdeputation aus Prag2 erwirktes Zugeständnis erscheine. Der Ministerrat veranlaßte sofort die Telegraphierung dieser Nachricht3.

II. Zweite Prager Petition

Hierauf wurde der Hofrat Klezansky in den Ministerrat berufen, um seine Anträge über die Beantwortung der verschiedenen Wünsche zu entwickeln, welche die hier in Wien soeben zum zweiten Male anwesende Prager Deputation in ihrer bei Se. Majestät überreichten Eingabe zur Sprache gebracht hat4.

Hofrat Klezansky hat nach dem einstimmigen Beschlusse des Ministerrates den Entwurf der Ah. Resolution verfaßt, welcher dem gegenwärtigen Protokolle unter ./. beiliegt5.

Diese Ah. Entschließung wird nicht bloß der Deputation, sondern auch gleichzeitig dem Oberstburggrafen eröffnet werden, damit diese noch vor Ankunft der Deputation in Prag || S. 22 PDF || bekannt werde. Hiemit wird nämlich angedeutet, daß Se. Majestät durch diese Resolution die Wünsche des Landes zu erfüllen, aber nicht so sehr dem Andringen der Deputation zu entsprechen Ah. beabsichtigten.(Die Ausfertigungen befinden sich in dem oben alligierten Akte, auf welchen sich hier als einen integrierten Teil des Protokolles bezogen wird.)6

III. Behandlung der an den Staatsrat gelangten und nicht erledigten Vorträge

Der Justizminister erklärt, nach dem an ihn soeben über die Auflösung des Staatsrates erflossenen Ah. Handschreiben7 würde derselbe seine Amtstätigkeit noch bis zur Erledigung der bei demselben in Bearbeitung stehenden Geschäftsstücke fortzusetzen haben. Wenn diese Bestimmung auch bloß auf die bei demselben bereits bearbeiteten und eben in Zirkulation befindlichen Stücke ausgedehnt werde, so könne dies doch bei dem Umstande, wo noch viele größere Verhandlungen daselbst im Zuge sind, längere Zeit dauern. Dieser Aufschub der Auflösungsmaßregel habe jedoch mehrere bedeutende Unzukömmlichkeiten.

Vorerst, daß neben der Regierung der verantwortlichen Minister Sr. Majestät noch eine Regierung nach dem früheren Systeme tätig bleibt, was der nötigen Einheit der Regierungsgewalt zuwiderläuft.

Ferner, daß die teilweise Fortdauer der früheren staatsrätlichen Gestion im Publikum nicht unbekannt bleiben könne, was wegen des Widerspruches mit der öffentlich ausgesprochenen Aufhebung des Staatsrates8 einen ungünstigen Eindruck machen müßte.

Endlich sei es zur ungehinderten selbständigen Bearbeitung der Geschäfte jedes Ministeriums notwendig, so bald als möglich in den Besitz sämtlicher noch unerledigter Vorträge der bezüglichen Hofstelle zu gelangen.

Der Ministerrat vereinigte sich sonach zu dem Beschlusse, Se. Majestät au. zu bitten, die sämtlichen noch nicht erledigten Vorträge aus der Periode vor Bildung des verantwortlichen Ministeriums – sie mögen nun der Ah. Schlußfassung bereits unterzogen oder noch bei dem Staatsrate in Verhandlung sein – so bald als möglich an die bezüglichen Ministerien zur Amtshandlung oder nach Umständen zur Erstattung neuer au. Anträge zurückgelangen zu lassen9.

IV. Audienz für die galizische Deputation

Der Minister des Inneren berichtet, daß 42 Landstände aus Galizien, welche sich als Deputierte dieser Provinz gerieren, bei ihm die Erwirkung einer Audienz von Sr. Majestät dem Kaiser angesucht haben10. Baron Pillersdorf habe sich hierüber an den || S. 23 PDF || Oberstkämmerer gewendet, damit zehn aus jenen Individuen zur Audienz Ag. zugelassen werden11.

V. Tiroler Landesbewaffnung

Der Minister des Inneren teilt einen Bericht des Tiroler Gouverneurs mit über die nötigen Einleitungen zur Landesbewaffnung12. Hierüber wurde beschlossen, daß von Seite der Ministerien des Inneren, des Kriegs und der Finanzen Abgeordnete zur Verabredung der diesfalls nötigen Maßregeln bestimmt werden sollen13.

VI. Ausfolgung der deutschen Reichskleinodien an den Deutschen Volkstag in Frankfurt am Main

Der Minister des Äußern eröffnet, daß die von den niederösterreichischen Ständen der Stadt Wien und der hiesigen Universität auf den deutschen Volkstag in Frankfurt gewählten Vertreter ein an Se. Majestät gerichtetes Gesuch um Erfolgung der deutschen Reichskleinodien eingebracht haben, um diese letztern in Frankfurt zur Verfügung „des deutschen Volkes“ zu stellen14.

Graf Ficquelmont habe ihnen bereits mündlich bemerklich gemacht, daß ein solcher Schritt auf Österreich dasselbe üble Licht werfen würde, welches der König von Preußen durch sein vorschnelles Auftreten auf sich geladen hat15. Sollte man sich in Frankfurt für die Wahl eines deutschen Oberhauptes einigen, so würden Se. Majestät die nur ein Depositum bildenden Reichskleinodien ohne Verzug erfolgen; früher aber könnte diese Ausfolgung lediglich an die deutsche Bundesversammlung als das derzeit noch ausschließend die deutschen Völker und Regierungen vertretende Organ Platz greifen.

Graf Ficquelmont müsse daher darauf au. antragen, daß das vorliegende Gesuch Allerhöchstenorts in diesem Sinne beschieden werde. Der Ministerrat trat diesem Antrage bei16.

VII. Absendung Anton Ritter v. Schmerlings und Franz Freiherr v. Sommarugas zum Bundestag nach Frankfurt am Main

Der Minister des Äußern bringt in Antrag, daß – gemäß der Beschlüsse der deutschen Bundesversammlung vom 10. März 1848 17 wegen Absendung von Männern des allgemeinen Vertrauens, um der Bundesversammlung und deren Ausschüssen bei den Vorarbeiten zur Revision der Bundesverfassung mit Beirat an die Hand zu gehen – der niederösterreichische Appellationsrat v. Schmerling nach Frankfurt abzusenden und demselben der Wechselgerichtsrat Baron Sommaruga beizugeben wäre18. Diese Abgesandten würden die Vergütung der Reisekosten zu erhalten und die doppelten charaktermäßigen Diäten zu genießen haben.

Dieser Antrag wurde einstimmig genehmigt19.

VIII. Übernahme eines Teils der österreichischen Staatsschuld durch Ungarn

Der Minister des Inneren erklärte, er halte sich verpflichtet, einen finanziellen Gegenstand zur Sprache zu bringen, der seiner hohen Wichtigkeit und besonderen Dringlichkeit wegen von dem Ministerrate, ungeachtet der Abwesenheit des Finanzministers, ungesäumt in ernste Überlegung genommen werden dürfte. Dies ist: die Übernahme eines Teils der allgemeinen österreichischen Staatsschuld durch das Land Ungarn. Die im Monate März 1848 erflossenen Ah. Erlässe, worin die künftige Stellung Ungarns und dessen Verpflichtungen dem Könige gegenüber festgesetzt worden sind, erwähnen nichts von der österreichischen Staatsschuld20.

Dieses Stillschweigen sei sehr bedenklich und für den Kredit der Monarchie äußerst gefährlich. Da der ungarische Landtag schon am kommenden Sonntage, dem 9. April, von Sr. Majestät geschlossen wird21, halte es Baron Pillersdorf für äußerst dringend, womöglich inzwischen noch einen günstigen Landtagsbeschluß über diesen Punkt – eine Lebensfrage für die Monarchie – zu erwirken.

Das Ministerium könne, selbst bei geringer Aussicht auf das Gelingen, nicht die Verantwortung auf sich nehmen, etwas in dieser Richtung unversucht gelassen zu haben. Nachdem der Ministerrat die Notwendigkeit anerkannt hatte, auf die Übernahme einer Quote der Staatsschuld – allenfalls ein Vierteil per 200 Millionen Gulden – von Seite Ungarns zu wirken, vereinigte man sich zu dem Beschlusse, daß von der Erlassung eines königlichen Reskriptes an die Stände über diesen Gegenstand Umgang zu nehmen und vielmehr der durchlauchtigste Herr Erzherzog Palatin mittelst Ah. Handschreiben (liegt abgesondert bei) zur Vermittlung aufzufordern wäre, weil dieser Weg allein noch einige Aussicht auf ein günstiges Resultat gewähren oder doch wenigstens den Wert eines Vorbehaltes und Rechtsanspruches behaupten würde22.

|| S. 25 PDF || Dieser Schritt und dessen Ergebnis wären seinerzeit zu veröffentlichen23.

IX. Suspendierung der Bekanntmachung über den Anteil Erzherzog Franz Karls an den Staatsgeschäften

Wurde vom Ministerrate beschlossen, daß mit der beabsichtigten Mitteilung an das Publikum über den tätigen Anteil Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Franz Karl an den Staatsgeschäften24 noch durch kurze Zeit zugewartet werden dürfte, damit diese Nachricht nicht unmittelbar nach dem soeben publizierten Rücktritt Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ludwig von den Staatsgeschäften25 in den öffentlichen Blättern erscheine26.

Gemäß der hier angeführten Beschlüsse des Ministerrates werden die nachfolgenden Entwürfe der Ah. Erlässe au. der Sanktion Ew. Majestät unterzogen.

Am 6. April 1848. Ficquelmont. Gesehen 7. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 7. April 1848.