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Nr. 3 Ministerrat, Wien, 4. April 1848 - Retrodigitalisat (PDF)

  • RS.; RdA. Pipitz; VS. Ficquelmont; anw. Pillersdorf, Taaffe, Sommaruga, Zanini; außerdem anw. Mayer-Gravenegg; BdE. Ficquelmont (5. 4.), Franz Karl (5. 4.).

MRZ. 62 – KZ. –

Protokoll der Ministerkonferenz vom 4. April 1848.

I. Übernahme des Kriegsministeriums durch FML. Peter Zanini

Der neu ernannte Kriegsminister glaubte vor allem, an den hohen Ministerrat einige vorläufige Fragen sich erlauben zu sollen. Diese waren:

1. ob seine Ag. Ernennung zu diesem hohen Amte1 als eine unbedingt notwendige angesehen werde. Würde das nicht der Fall sein oder würde er früher hinsichtlich der Annahme gefragt worden sein, so hätte er in bescheidener Würdigung seiner Kräfte, des großen Umfanges des ihm anvertrauten Amtes und der damit verbundenen Verantwortlichkeit wohl nur die Bitte stellen müssen, diese Last stärkeren Achseln anzuvertrauen.

Hierauf wurde erwidert, daß seine Ernennung unbedingt notwendig geworden, daß sie im Publikum und selbst bei höher gestellten Offizieren als er vollen Anklang gefunden2 und daß die Rücknahme derselben einen gewiß nur nachteiligen Einfluß auf die öffentliche Meinung haben würde.

Der Kriegsminister äußerte hierauf, alles tun zu wollen, was in seinen Kräften steht, um dem in ihn gesetzten Ah. Vertrauen zu entsprechen.

2. Da nach dem Ah. Kabinettschreiben vom 2. d. M., Z. 11893, ihm als Kriegsminister die Leitung des Hofkriegsrates übertragen wurde, so halte er es für notwendig, der Armee wegen ihrer besonderen Stellung zum Hofkriegsrate bekanntzumachen, welcher Beruf ihm zuteil wurde, wie auch, daß dadurch in der Organisierung des Hofkriegsrates vorderhand keine Änderung einzutreten habe4. Über die Art der sich ergebenden notwendigen Veränderung werde er seinerzeit die erforderlichen Anträge erstatten5.

|| S. 16 PDF || Gegen dieses Vorhaben wurde von keiner Seite ein Anstand erhoben, da bei allen anderen Ministerien dasselbe geschehen ist und ihnen dieselben Aufgaben zu erfüllen obliegen.

3. In dem erwähnten Kabinettschreiben heißt es weiter: Es ist in Meiner Absicht gelegen, Sie bei Führung dieses jetzt mehr als je schwierigen Amtes so zu stellen, daß jede Ihnen fremde Einwirkung gänzlich aufzuhören habe, nur ist seinerzeit abgesondert in Erwägung zu ziehen, welche Einrichtung zu treffen sei, um im centro für die eigentliche militärische Führung des Heeres einen alle Beziehungen umfassenden Vereinigungspunkt zu bilden und festzuhalten.

Mit Beziehung auf diese Anordnung, welche für die militärische Führung des Heeres, für die Berufung zu höheren militärischen Stellen u. dgl. gleichsam ein zweites Kriegsministerium in Aussicht stellt, müsse er bitten, diesfalls das nähere zur Abgrenzung seines Wirkungskreises zu bestimmen, indem er sein Amt in der Art, wie er es übernimmt, fortzuführen wünsche.

Hierüber wurde bemerkt, daß sich über diese Abgrenzung und die späterhin gewiß notwendige Änderung der militärischen Organisation gegenwärtig noch nichts bestimmen ließ; die Folge werde erst zeigen, was alles zu geschehen habe. Der Minister werde darüber später, ohne gerade an eine bestimmte Zeit gebunden zu sein, Vorschläge zu erstatten haben6.

II. Eidesablegung der Minister

Se. Exzellenz der interimistische Leiter des Ministerrates Graf v. Ficquelmont brachten zur Kenntnis der hohen Versammlung, daß sie um Suspendierung der auf heute bestimmten Eidesablegung einiger Minister in die Hände Sr. Majestät gebeten und diesen Aufschub erlangt haben7.

Der Grund hievon sei die alte Eidesformel, welche dieser Eidesablegung hätte zum Grunde gelegt werden sollen, welche aber bei den in der neuesten Zeit eingetretenen Änderungen in den Fundamentaleinrichtungen des Staates nun nicht mehr zulässig erscheint.

Se. Exzellenz ließen daher die alte Eidesformel mit Beachtung der neuern konstitutionellen Form und der Verantwortlichkeit der Minister in Einklang bringen. Mit der so abgeänderten Eidesformel erklärten sich alle Mitglieder des hohen Ministerrates ganz einverstanden8.

III. Erzherzog Franz Karls Teilnahme an den Staatsgeschäften

Se. Exzellenz der Minister des Inneren brachten in Anregung, daß Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog Franz Karl9 gegen sie den Zweifel ausgesprochen haben, ob durch den Austritt Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Ludwig aus den Staatsgeschäften10 und durch die Aufhebung des Staatsrates11 || S. 17 PDF || nicht ihre Stellung verändert worden sei, welches Bedenken Se. kaiserliche Hoheit auch gegen den interimistischen Leiter des Ministerrates, Grafen Ficquelmont, Exzellenz, geäußert haben.

Die persönliche Äußerung beider gegen den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog ging dahin, daß in der Stellung Sr. kaiserlichen Hoheit durch den Ministerrat nichts geändert werde. Seit dem Bestande des Ministerrates sind nämlich alle Protokolle Sr. kaiserlichen Hoheit zugesendet worden, welche Höchstsie mit Ihrem „vidi“ versahen und dann in das Kabinett im Wege des dazu berufenen Konferenzialbureaus12 zur Vorlage an Se. Majestät überschickten.

Sollte ein Entschluß des Ministerrates vorkommen, welcher Sr. kaiserlichen Hoheit nicht genug deutlich schiene, oder woran Sie eine Abänderung vorgenommen zu sehen wünschten, so wäre dieser Beschluß zur nochmaligen Beratung an das Ministerium zu leiten.

Änderungen bei Ausdrücken sind nicht üblich und nicht notwendig.

Dieses ist die Übung, und dabei könnte es nach der Ansicht des Ministerrates ferner sein Bewenden haben. Se. kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog scheinen auch nichts anders zu beabsichtigen13.

IV. Rücktritt Erzherzog Ludwigs

Se. Exzellenz der interimistische Leiter des Ministerrates Graf v. Ficquelmont brachten hier den Austritt Sr. kaiserlichen Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Erzherzogs Ludwig aus dem Staatsdienst (womit Se. kaiserliche Hoheit sich einverstanden erklärten und was bereits dem Ah. Hofe und dem Publikum bekannt ist) und den darauf Bezug habenden Aufsatz für die Wiener Zeitung, welchen der provisorische Ministerpräsident abends zuvor zurücknehmen ließ, zur Sprache14.

Als Grund dieser Zurückbehaltung wird der höchsten Ortes geäußerte Wunsch nach einer vorläufigen Aufklärung der Fakten und die Rücksicht geltend gemacht, daß die Kundmachung dieses Austrittes nicht mit der Aufhebung des Staatsrates koinzidiere, ferner der Wunsch, daß gleichzeitig irgendein hohes Individuum bestellt werde, an welches sich in wichtigeren Angelegenheiten, welche den Staat nicht betreffen, wie in Hofstaats-, Familien- und Vermögensangelegenheiten des Ah. Hofes, zu wenden wäre.

Dagegen wurde von dem Ministerrate bemerkt, daß dieses in keiner Verbindung mit den Staatsinteressen stehe, daß jene Kundmachung notwendig erscheine und daß sie daher sobald als möglich durch die Wiener Zeitung zu geschehen hätte.

In dieser Absicht wurde sogleich die Einleitung getroffen, daß diese Publikation womöglich noch durch das Abendblatt der heutigen Wiener Zeitung erfolge15.

V. Verzicht des pensionierten Hofkammerpräsidenten Peter Joseph Freiherr v. Eichhoff auf seine Pension

Weitere Gegenstände der Beratung waren bei der heutigen Ministerversammlung folgende:

KZ. 1244, MCZ. 96016, Eingabe des pensionierten Hofkammerpräsidenten Freiherrn v. Eichhoff vom 1. April 1848, womit er auf den ihm unterm 25. November 1840 17 bewilligten Ruhegenuß insolange Verzicht leistet, als das Vaterland solcher Opfer der einzelnen bedürfen wird, dabei aber zugleich erklärt, er werde in keinem Falle die Wiederflüssigmachung einer Pension in Anspruch nehmen, bevor nicht eine strenge Prüfung von Seite der einzuberufenden Reichsstände den Beweis geliefert haben wird, daß er während der ganzen Zeit seiner Finanzleitung mit Treue, Redlichkeit und günstigem Erfolge seiner Pflicht in allen Punkten nachgekommen sei.

Der hohe Ministerrat hat beschlossen, diese Eingabe an den Chef der Finanzverwaltung zur weiteren Verfügung zu leiten18.

VI. Zuteilung Graf Marzanis zu FZM. Graf Nugent

KZ. 1243/1848. MCZ. 457. Der Willfahrung des auch vom Hofkriegsratspräsidium unterstützen Ansuchens des FZM. Grafen Nugent19, daß ihm zum Behufe der bald einzurichtenden Zivilverwaltung der jetzt im Aufstande begriffenen Gebietsteile der Provinz Venedig Graf Marzani20, welcher in letzterer Zeit Delegat in Venedig war, unter einem dieser wichtigen Stellung entsprechenden Namen an die Seite gegeben werden möge, steht nach der Ansicht des Ministerrates nichts entgegen, da Graf Marzani derzeit als Quieszent in Triest disponibel und als gewesener Delegat in Venedig zu solcher Verwendung vollkommen geeignet ist.

Hierüber wäre das Entsprechende an den Kriegsminister zu erlassen, der seinerseits einvernehmlich mit dem Minister des Inneren das Entsprechende zu verfügen haben wird21.

VII. Volksaufstände in Lombardo-Venetien

KZ. 1233/1848, MCZ. 95322. Dieser Vortrag des Ministers des Inneren über einen Vortrag Sr. kaiserlichen Hoheit des Herrn Erzherzogs Vizeköniges vom 22. März d. J.23, dann der Vortrag des Herrn Erzherzogs Vizeköniges vom 28. März d. J., Z. 120124, in Beziehung auf die Volksaufstände in den lombardisch-venezianischen Provinzen, ist nach der Bemerkung eben dieses Ministers mit Beziehung auf die || S. 19 PDF || veränderten Verhältnisse und die dem Staats- und Konferenzminister Grafen v. Hartig mittlerweile zuteil gewordene Mission25 zu erledigen26.

VIII. Rücktritt des böhmischen Oberstburggrafen Graf Rudolf Stadion und dessen Nachfolge

Hinsichtlich der schon in dem Ministerrate vom 1. April 1848 besprochenen Erledigung auf die beiden Vorträge, KZ. 1089/1848 und KZ. 1181/184827, die Dienstresignation des Oberstburggrafen Graf Stadion und die Besetzung der Gubernialpräsidentenstelle in Prag betreffend, welche Erledigung nicht ausgefertigt wurde, weil man erforschen wollte, ob nicht ein durchlauchtigster Prinz sich geneigt finden würde, die Statthalterstelle in Böhmen anzunehmen, wird bemerkt, daß eine baldige Beschlußnahme diesfalls wichtig erscheine.

Der Ministerrat könne nur wiederholt den lebhaftesten Wunsch ausdrücken, daß es einem Erzherzoge gefallen möge, den gedachten Posten anzunehmen, wegen der wohltätigen moralischen Wirkung für das Land und wegen der guten Folgen für die Administration.

Da jedoch der diesfällige Entschluß nur von der höchsten Familie abhängen kann und viel daran liegt, diesen Entschluß bald zu erfahren, so ersuchte der Minister des Inneren, ihm zu gestatten, daß er sich an Se. kaiserliche Hoheit den Herrn Erzherzog Johann28 mit der Bitte wende, die Motive des Ministerrates bei der höchsten Familie persönlich vertreten zu wollen. Jedenfalls sollte aber die Ernennung des Albert Grafen Nostitz erfolgen; da sie auch unabhängig von der erzherzoglichen Berufung ein dringendes Bedürfnis ist29.

IX. Verwendung des Restkredites der Nationalbank zur Bestreitung der laufenden Staatsausgaben

Z./J. 23/184830. Die hier von dem Präsidium der allgemeinen Hofkammer angesprochene Ermächtigung, den der Finanzverwaltung bei der Bank noch offenstehenden Kredit von 5 Millionen Gulden zur Bestreitung der laufenden Staatsausgaben benützen zu dürfen, erscheint bei den gegenwärtigen bekannten Bedrängnissen der Finanzverwaltung zur Genehmigung geeignet, und es dürfte dem Hofkammerpräsidium die diesfällige Autorisation ohne Anstand erteilt werden31.

X. Approvisierung und Neubauten der Bundesfestungen Ulm und Rastatt

Z. 1231/1848, KZ. 45132. Laut dieses Aktes werden von Österreich in diesem Jahre a) zur Bestreitung der Kosten der Approvisionierung für die Bundesfestungen Ulm und Rastatt 314.351f. 40 Kreuzer im 24f.-Fuße und b) zum Baue der gedachten Bundesfestungen 569.705f. 19 Kreuzer angesprochen.

|| S. 20 PDF || Der Vizepräsident der allgemeinen Hofkammer Mayer Ritter v. Gravenegg stellt die außerordentliche Beschwerlichkeit dar, diesen Anforderungen bei den erschöpften Kassen und bei den so sehr gesteigerten Auslagen der Finanzverwaltung zu entsprechen, und kommt auf den unterm 31. März d. J. gestellten Antrag33 zurück, den Kostenbetrag für die Approvisionierung teilweise oder in Raten berichtigen, jenen für den Bau der Bundesfestungen dagegen einstweilen ganz aufschieben zu dürfen, indem andere Regierungen ihre Bauraten eingezahlt haben, daher der Bau in seiner Fortsetzung vorderhand nicht gehemmt ist.

Bei den dargestellten mißlichen finanziellen Verhältnissen wurde der Ansicht der Finanzverwaltung beigestimmt34.

XI. Reise des Kaisers nach Preßburg zur Schließung des ungarischen Landtages

Schließlich wurde von Seite des Vorsitzenden zur Kenntnis des Ministerrates gebracht, daß Se. Majestät in Begleitung Allerhöchstihres Herrn Bruders35, dessen ältesten Herrn Sohnes36 und Frau Gemahlin37 sich Sonntag nach Preßburg zur Schließung des Landtages38 zu begeben vorhaben, so wie auch Mayer Ritter v. Gravenegg anzeigte, daß 400.000f. von Ofen nach Wien disponiert waren, von dem neuen ungarischen Finanzminister aber mit Beschlag belegt worden sind39.

Diese Beschlüsse unterzieht der Ministerrat mit nachfolgendem der Ah. Genehmigung.

Ges. 5. April. Franz Karl. Vidi. Ferdinand. Wien, den 5. April 1848.