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Vorwort - Retrodigitalisat (PDF)

Das österreichische Komitee für die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle wurde am 13. Juni 1967 ins Leben gerufen. Ein Erlaß des Unterrichtsministeriums von diesem Tage lautet: „Das Bundesministerium für Unterricht hat zur Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle 1848-1914 eine Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Univ.-Prof. Dr. Engel-Janosi und den Mitgliedern o. Univ.Prof. Dr. Plaschka und o. Univ.-Prof. Dr. Lutz ins Leben gerufen. Gleichzeitig wird dem Österreichischen Ost- und Südosteuropainstitut die Durchführung der Verwaltungsarbeiten für diese Arbeitsgruppe nach Weisungen der Arbeitsgruppe übertragen.“ Das Österreichische Ost- und Südosteuropainstitut ist ein dem Bundesministerium für Unterricht zugeordnetes wissenschaftliches Zentrum, dem die Erforschung südost- und osteuropäischer Probleme obliegt.

Im Herbst 1966 war ich von der Ungarischen Akademie der Wissenschaften eingeladen worden, einige historische Vorträge in Ungarn zu halten. Aus diesem Anlaß wurde mir der damals erschienene Band „Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der österreichisch-ungarischen Monarchie (1914–1918)“, der in den Publikationen des Ungarischen Staatsarchivs II, Quellenpublikationen, als der X. Band dieser Reihe veröffentlicht worden war, überreicht. Die eingehende Einleitung und der Kommentar sind von Dr. Miklós Komjáthy verfaßt; als Lektoren fungierten Generaldirektor Professor Győző Ember und Dozent Dr. Petér Hanák. Der Band umfaßt 723 Seiten. Bei einer anschließenden Besprechung wurde von ungarischer Seite der Vorschlag gemacht, daß österreichische und ungarische Historiker gemeinsam die gesamten Protokolle des Ministerrats publizieren sollten; etwa die Hälfte solle von Österreich, die andere Hälfte von Ungarn bearbeitet werden.

In einem Schreiben vom 30. November 1966 habe ich diesen Vorschlag dem damaligen Bundesminister für Unterricht Dr. Theodor Piffl-Perčević unterbreitet und darauf hingewiesen, welch eminente Bedeutung diese Protokolle für die Geschichte der Donaumonarchie besitzen und daß sie sich zur Gänze im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien befinden. Daraufhin erging der eingangs zitierte Erlaß des Unterrichtsministeriums vom 13. Juni 1967, nachdem am 26. April d. J. eine Vorbesprechung zwischen Ministerialrat Dr. Rössler und mir durchaus positiv verlaufen war.

Die vom Unterrichtsministerium gebildete Arbeitsgrupppe ergänzte sich durch Kooptierung von Wirklichem Hofrat Univ.-Prof. Dr. Hanns Leo Mikoletzky (jetzt Generaldirektor der österreichischen Archive) und dem Leiter des österreichischen Staatsarchivs || S. 8 PDF || Oberstaatsarchivar Dr. Richard Blaas, wodurch die Verbindung mit dem weltberühmten Wiener Staatsarchiv, das – wie erwähnt – die Ministerratsprotokolle beherbergt, hergestellt wurde, während durch Professor Lutz die Erfahrungen der großen deutschen Edition der „Nuntiaturberichte“ für das Komitee sichergestellt wurden. Ferner wurde Univ.-Assistent Dr. Helmut Rumpler kooptiert; ihm wurde die Redaktion der Publikationen übertragen. Vollbeschäftigte akademische Mitarbeiter sind zur Zeit Dr. Horst Brettner-Messler und Dr. Waltraud Heindl.

In einer Unterredung in Budapest im Juni 1968, bei der das österreichische Komitee durch Blaas, Engel-Janosi und Lutz vertreten war, das ungarische durch Prof. Vizedirektor Dr. György Ranki, Dr. Ervin Pamlényi, Doz. Dr. Péter Hanák und Dr. Miklós Komjáthy, wurde vereinbart, daß die Publikation in zwei Serien erfolgen solle. Erste Serie: Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848-1867; zweite Serie: Die Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der österreichisch-ungarischen Monarchie 1867-1918. Weiters wurde vereinbart, daß die Herausgabe der ersten Serie Aufgabe des österreichischen Komitees sei. Die Herausgabe der zweiten Serie ist Aufgabe des ungarischen und des österreichischen Komitees. Für diese Serie wurde folgende Arbeitsteilung vereinbart: das ungarische Komitee bearbeitet die Protokolle vom 7. Februar 1867 (Rücktritt Belcredis) bis November 1871 (Amtsantritt Andrissys) und vom Oktober 1883 (nach Abschluß des Abkommens mit Rumänien) bis zum Ende der Monarchie. Die Protokolle der Zwischenzeit (1871-1883) werden vom österreichischen Komitee herausgegeben werden. Die beiden Komitees kamen überein, daß der bereits erschienene Band, der die Jahre 1914–1918 umfaßt, in einer zweiten, erweiterten Auflage im Laufe der Editionsarbeiten neu herausgegeben werden soll. Schließlich wurde festgehalten, daß in jedem Band die Zusammenarbeit der beiden Komitees ausdrücklich angegeben werden wird.

Es wurden ferner Maßnahmen besprochen, die bezwecken, unfreundliche und störende Formulierungen in den Einleitungen und Kommentaren durch gegenseitige Konsultation betreffend die Textierung auszuschalten. Eine gemeinsame jährliche Sitzung der beiden Komitees abwechselnd in Budapest und Wien soll auch diesem Zwecke dienen. Wir wollten versuchen, aus unserer Kenntnis der Geschichte der „Ausgleichsverhandlungen“ der Donaumonarchie Lehren zu ziehen.

Ferner wurde vereinbart:

Alle vorhandenen Protokolle werden im vollen Wortlaut publiziert. Varianten der Reinschrift werden berücksichtigt. Konzepte und Varianten der Konzepte werden berücksichtigt, wenn sie als belangvoll erscheinen. Endlich wurden Abmachungen die Beilagen und die Register betreffend getroffen.

In der Sitzung des österreichischen Komitees am 5. Februar 1969 wurde Univ.-Assistent Dr. Helmut Rumpier mit der Ausarbeitung der Editionsgrundsätze innerhalb || S. 9 PDF || der in der gemeinsamen Sitzung in Budapest zustandegekommenen Vereinbarung betraut, eine Arbeit, die er im Laufe des Monats beendete. Sie wird im Einleitungsband publiziert.

In den darin aufgestellten Richtlinien wurde festgelegt, daß die erste Serie, also „Die Protokolle des österreichischen Ministerrates 1848–1867“, aus den folgenden sechs Abteilungen bestehen solle: I. Die Ministerien deos Revolutionsjahres 1848 (20. März bis 21. November 1848). II. Das Ministerium Schwarzenberg (21. November 1848 bis 11. April 1852). III. Das Ministerium Buol-Schauenstein (11. April 1852 bis 17. Mai 1859). IV. Das Ministerium Rechberg (17. Mai 1859 bis 4. Februar 1861). V. Die Ministerien Erzherzog Rainer (4. Februar 1861 bis 26. Juni 1865) und Mensdorff (26. Juni 1865 bis 27. Juli 1865). VI. Das Ministerium Belcredi (27. Juli 1865 bis 7. Februar 1867). Der Umfang des gesamten österreichischen Vorhabens wird auf 15 Bände geschätzt.

Jeder Abteilung wird eine spezielle Einleitung vorangestellt. Diese Einleitungen werden editionstechnische Detailfragen sowie die allgemeinen historischen Probleme der entsprechenden Zeitabschnitte behandeln.

In seiner Sitzung vom 28. Oktober 1969 kooptierte das österreichische Komitee o. Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh. Es beschloß, seine Publikation mit der letzten, der sechsten Abteilung der ersten Serie, dem Ministerium Belcredi, zu beginnen, in das das Schicksalsjahr 1866 fällt.

Am 18. November 1969 wurden an Generaldirektor Professor Győző Ember die Manuskripte des 1. Bandes der VI. Abteilung und der Einleitungsband zur Kenntnisnahme des ungarischen Komitees übersandt. Generaldirektor Ember beantwortete die Sendung am 9. März 1970 mit einer von Dr. Miklós Komjáthy verfaßten, durchaus sachlichen und in allem Wesentlichen positiven „Meinung“ im Umfang von 8 Seiten.

Der 1. Band der VI. Abteilung unserer Publikation bringt die Protokolle vom 29. Juli 1865 bis 26. März 1866; die restlichen Protokolle des Ministeriums Belcredi werden in einem zweiten Band veröffentlicht.

Das österreichische Komitee hat im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Unterricht durch das Österreichische Ost- und Südosteuropainstitut am 1. Dezember 1969 einen Vertrag über die Drucklegung der Ministerratsprotokolle mit dem Österreichischen Bundesverlag abgeschlossen.

Die eminente Bedeutung der österreichischen Ministerratsprotokolle für die Geschichtsforschung der Habsburgermonarchie und darüber hinaus für Mittel- und Osteuropa steht schon heute unbezweifelbar fest. Es dürften aber - wie es der Regierungsweise des Monarchen entsprach - weniger spektakuläre Ergebnisse auf dem Gebiete der Außenpolitik als wichtige Erkenntnisse in den Bereichen der Sozial-, Wirtschafts- und Kirchengeschichte zu erwarten sein. Eine besondere Bedeutung wird also der Ausarbeitung der Register zukommen. Die Auswertung der Protokolle für die Geschichte des Ministerrates hat Dr. Rumpier in seiner Einführung „Ministerrat und Ministerratsprotokolle 1848-1867“ gegeben. Die österreichische Arbeitsgruppe benützt die Drucklegung ihrer ersten Publikation, um dem Bundesministerium für Unterricht für die Förderung ihres Projektes den geziemenden Dank auszusprechen.

|| S. 10 PDF || Bei dieser Gelegenheit sei auch unser verbindlichster Dank den Leitern und allen Angestellten der Wiener Archive übermittelt, durch deren hilfsbereites Entgegenkommen unsere Forschungsarbeit wesentlich erleichtert und beschleunigt wurde.

Wien, 10. Juni 1970.